ZEIT ONLINE: Herr Willams, in den Tagen und Monaten nach der Explosion der Ölbohrplattform Deepwater Horizon lasen wir täglich über die Folgen für die Umwelt und über die Verantwortung der Unternehmen. Von den Menschen, die auf der Plattform arbeiteten und von den elf, die in der Nacht des 20. April starben, hörte man wenig, zumindest bis zu diesem Film.

Mike Williams: Das stimmt, niemand sprach mehr über die toten Männer. Das war für mich das Schlimmste. Mir ist klar, dass das Öl dramatische Folgen für die Umwelt hatte. Aber die Journalisten interessierte damals nur, wie viele Tonnen ins Meer strömten oder was Tony Hayward, der damalige BP-Chef, zu sagen hatte. Das alles war natürlich sehr wichtig, aber elf Männer hatten gerade ihr Leben verloren und kaum jemand berichtete über sie. Das ist der Grund, warum ich mich überhaupt auf diesen Film eingelassen habe. Ich hatte das Gefühl, ihnen und ihren Witwen etwas zu schulden. Ihre Geschichte wollte ich erzählen.

ZEIT ONLINE: Im Film sehen wir, in was für einem schlechten Zustand die Plattform vor der Explosion war. Telefone funktionierten nicht, Computer waren defekt. Jemand nennt die Anlage Deepwater Horizon das "Well from Hell", das Bohrloch aus der Hölle. War die Situation wirklich so? Und war das außergewöhnlich?

Mike Williams, 44, erlebte die Explosion auf der Ölbohrinsel "Deepwater Horizon" als Chef-Techniker mit. Heute lebt mit seiner Familie in Sulphur Springs, Texas. Auf Ölplattformen arbeitet er seit dem Unfall nicht mehr. © Courtesy of Lionsgate

Williams: Ja, das war so. Und nein, so haben wir eben gearbeitet. Vor der Explosion haben wir trotz dieser Mängel neun Jahre lang ohne jegliche Zwischenfälle im Golf von Mexiko gebohrt. Keine andere Plattform hatte so viele Auszeichnungen erhalten. Das hat möglicherweise auch zu einer gewissen Arroganz geführt. Wir dachten, uns könne nie etwas passieren.

ZEIT ONLINE: Und dann ist es doch passiert. Wie kam das?

Williams: Ja. Im September 2009 hatte der Konzern BP eine ausführliche Betriebsprüfung durchgeführt. Wir sind mit Pauken und Trompeten durchgefallen. Es gab 392 kritische Punkte, an denen dringend nachgebessert werden musste. Wir sind überzeugt gewesen, dass sie die Plattform dicht machen, bis die Mängel behoben sind. Allerdings hatte BP zwei Bohrlizenzen, die drohten, auszulaufen. Also entschied die Konzernleitung, diese Bohrungen noch schnell abzuwickeln, bevor die Plattform in den Hafen sollte. Die Reparaturen waren also geplant, aber bis dahin wollte man noch etwas Geld machen. BP war sich des Zustands der Plattform bewusst. Aber die Verantwortlichen entschieden, uns weiter arbeiten zu lassen.

ZEIT ONLINE: Was hätte passieren müssen, um eine Katastrophe, wie sie dann geschah, zu verhindern?

Williams: Zuallererst hätte man testen müssen, ob die Dichte des Zements am Loch selbst hoch genug und dessen Position richtig ist. Das hätte uns einen besseren Eindruck davon vermittelt, wie es da unten wirklich aussah. Wir hatten die Werkzeuge und das Personal dazu. Aber BP entschied, diese Leute nach Hause zu schicken. Wir konnten also nicht wissen, wie gut oder schlecht der Zustand der Anlage wirklich war. Die Tests, die wir hatten, waren nicht eindeutig. Viele Punkte auf der Checkliste blieben offen.

ZEIT ONLINE: War Ihnen das Risiko klar?

Williams: Ich war Elektroingenieur, mein Job war es, an den Computern zu arbeiten. Ich habe mitbekommen, was passiert, aber ich hatte darauf keinen Einfluss.

ZEIT ONLINE: Können Sie das Leben auf der Ölplattform schildern?

Williams: Man ist 21 Tage auf der Plattform und hat dann 21 Tage frei. Ein Arbeitstag dauert zwölf Stunden. Ich bin in der Regel zwei Stunden vor Arbeitsbeginn aufgestanden, habe geduscht, etwas gegessen, Wäsche gewaschen und dann meine Schicht angetreten. Zum Schichtende fand eine Übergabe statt. Ich habe geduscht, gegessen, mich hingelegt und etwas ferngesehen. Am nächsten Tag ging es von vorne los, 21 Tage am Stück.

ZEIT ONLINE: Das klingt nach einem harten Job

Williams: Es ist sehr stressig, aber nach einiger Zeit stellt sich eine gewisse Routine ein und es ist wie jeder andere Beruf. Einen Marathon rennt man schließlich auch nicht, ohne dafür trainiert zu haben. Transocean (die Betreiberfirma der Plattform) hat sichergestellt, dass wir ein sehr gutes Training bekommen. Aber natürlich bleibt es anstrengend, wenn man 84 Stunden pro Woche im Einsatz ist.

ZEIT ONLINE: Wie viele Jahre haben Sie das gemacht?

Williams: Ich war fünf Jahre dabei, als die Explosion passierte.