Zwei brasilianische Journalistinnen haben im April nur drei Tage gebraucht, um auf die Spur eines internationalen Rohstoffskandals zu kommen. Maria Fernanda Ribeiro und Clara Britto vom investigativen brasilianischen Informationsdienst Amazônia Real besuchten dafür in der brasilianischen Kleinstadt Boa Vista nahe der Grenze zu Venezuela einfach ein Fachgeschäft, in dem Gold verkauft und angekauft wird.

Verkäufer gingen ein und aus und brachten Nuggets und Fläschchen voller Goldstaub: Männer auf Motorrädern, auch eine Mitarbeiterin des staatlichen Gesundheitsdienstes in den Indianergebieten. "Kaufen Sie auch Gold aus dem Garimpo?", fragten die potenziellen Goldverkäufer, und den Journalistinnen zufolge hat die Frau im Laden stumm genickt. Garimpo heißen die illegal betriebenen Goldminen in der Amazonasregion ringsum. Zehntausende Glücksritter suchen dort nach glänzenden Körnchen. Sie tun das fast ausnahmslos in den Schutzgebieten indigener Völker, allen voran bei den Yanomami, die sich seit Jahrzehnten mit Wellen von Eindringlingen herumschlagen.

So schlimm wie im Augenblick war es schon lange nicht mehr. Mehrere Regierungen der Region – ob rechtsradikal wie in Brasilien oder linksdiktatorisch wie in Venezuela – lassen illegalen Goldgräbern derzeit quasi freien Lauf. Sie sind die politischen Unterstützer und kassieren häufig mit.

Das rund 35.000 Seelen große Traditionsvolk der Yanomami pflegt eine alte Schamanenkultur und besitzt in seinem ausgedehnten Savannen- und Regenwaldgebiet großes Wissen über die Natur. Nach konservativen Schätzungen wird es inzwischen aber von 20.000 Goldgräbern belagert. Angehörige des Volkes fallen Vergewaltigungen und bewaffneten Überfällen, Malaria und Covid-19 zum Opfer. Landstriche werden in unfruchtbare Sandwüsten verwandelt, Quecksilber vergiftet die Fische.

Von Goldankäuferläden wie in Boa Vista wird das Blutgold aus dem Yanomami-Gebiet weitergereicht. Es geht in die Städte Itaituba und Manaus, wird mit Steuernachweisen und falschen Herkunftszertifikaten versehen. Darin heißt es, es stamme aus anderen, manchmal längst stillgelegten "offiziellen" Bergbaubetrieben in Brasilien oder anderswo.

Und das ist das Problem der globalen Gold- und Schmuckbranche: Sie wird ihrer Verantwortung für solche Gräuel nicht gerecht. Die Praxis des Umdeklarierens ist wohlbekannt, Skandale hat es immer wieder in vielen Ländern gegeben, und den Verbrechern wird es zu leicht gemacht. Die brasilianische Polizei etwa hat das illegale Gold schon bis in die Luxusprodukte brasilianischer Schmuckhersteller nachverfolgt, aber die Praxis verändert sich dadurch kaum.

Anderswo kommt Blutgold aus dem Kongo auf den Markt, wo seine Herstellung brutale Milizen finanziert, und aus anderen afrikanischen Ländern, wo es teilweise von Kindern aus dem Boden geholt wird. Es gibt Blutgold aus Kolumbien oder Peru, wo frühere Farc-Rebellen und Drogenmilizen mit dem Goldschmuggel lukrativ ihr Geschäft ausweiten.

Solches Gold zu raffinieren, Schmuck und Barren daraus herzustellen oder es in Industrieprozessen zu verarbeiten verstößt gegen diverse Branchenstandards und Selbstverpflichtungserklärungen im Westen. Da gibt es auch Herkunftssiegel. An Universitäten sind Hightech-Möglichkeiten für den Herkunftsnachweis entwickelt worden, etwa Tracerstoffe und fälschungssichere Barcodes.

Doch das andere, blutige Gold wird eben nach wie vor verarbeitet. Der Washingtoner Menschenrechtsorganisation The Sentry zufolge hat die Branche einfach immer noch die richtigen Leute, um Schmuggelrouten für Blutgold zu organisieren.

Weil das Problem wieder größer wird, käme ein internationaler Vorstoß zur rechten Zeit. Ob bei den Vereinten Nationen angesiedelt, bei der EU oder in der Schweiz, wo der Großteil des weltweit geförderten Goldes raffiniert wird: Gemeinsame Fahndung durch Polizeibehörden, die Ächtung bestimmter Herkunftsländer und eine Verpflichtung zu klareren Herkunftsnachweisen könnten ein rapide zunehmendes humanitäres und ökologisches Problem entschärfen.